Das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB bestand 2003 aus fünf Abteilungen, darunter der Abteilung „Grenzflächentechnologie und Materialwissenschaften“, die wiederum in die Gruppen „Grenzflächenverfahrenstechnik“ (GVT) und Biomimetische Grenzflächen unterteilt war. Schwerpunktmäßig befasste man sich in der GVT mit der Modifikation und Analyse von Oberflächen. Der primäre Fokus lag hierbei auf der Kontrolle von Oberflächeneigenschaften im Mikro- und Nanometermaßstab. Dabei spielte und spielt weiterhin die Reinheit von Oberflächen eine essentielle Rolle (Abbildung 1). Es wurden Reinigungsverfahren am IGB entwickelt, die sich an unterschiedlichen industriellen Anforderungen orientierten. Zu nennen ist beispielsweise die Plasmafeinreinigung von Metalloberfläche mit dem Ziel, Rückstände von Bearbeitungs- und Korrosionsschutzmitteln vollständig und zeiteffizient zu entfernen (Abbildung 2). Ausgangspunkt war die Bundesimissionsschutzverordnung (BImschV) die den Einsatz von Trichlorethylen (TRI) und Perchlorethylen (PER) in offenen Anlagen verbot und somit neue Verfahren benötigt wurden. Die Plasmafeinreinigung wurde dabei in Kombination mit einer wässrigen Vorreinigung eingesetzt. Innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft kam die Idee auf, die Kompetenzen der Teilereinigung, die an verschiedenen Instituten vorhanden war in einer Fraunhofer-Allianz zu bündeln. Ausgangspunkt war dann eine Studie zu „Reinigung und Reinheitskontrolle in hygienerelevanten Bereichen der Produktion“ gefolgt von der Gründung der Allianz. Für das IGB war Herr Dr. Uwe Vohrer Gründungsmitglied und für den Bereich der Plasmafeinreinigung der der Reinheitskontrolle mittels oberflächenanalytischer Methoden (ESCA, IR, REM, …) Da die Studie den Schwerpunkt auf hygienerelevante Bereiche in der Reinigung hatte wurde durch Dr. Iris Trick auch die Bewertung der biologischen Sauberkeit bis hin zur Sterilitätsprüfung durchgeführt. Dr. Harald Schnepple brachte seine Kompetenz im Bereich Hygienic Design ein, da die Industrie bald feststellte, dass Produkte und Produktionsanlagen auch so gebaut/designt werden müssen, dass sie leichter zu reinigen sind und ggfls sogar die Konstruktion dem späteren Reinigungsverfahren angepasst werden sollte. Die aus mehreren Projekten und Industrieaufträgen gewonnenen Kompetenzen führten dann zur Etablierung von Verfahren zur Reinigung von historischen Gütern und sogar Papier, wo das Ziel war, mittels Plasmabehandlung Schimmelkontaminationen und Stockflecken zu beseitigen (Abbildung 2). An archäoologischen Artefakten aus der Eisenzeit und an Silberobjekten wurde die Plasmareinigung nicht zur Freilegung der Artefakte sondern auch zur Reduktion von Eisen- oder Silberoxid durch Wasserstoffplasmen eingesetzt.
Zunehmende ökologische Anforderungen an Reinigungsmedien (Tenside) oder Bearbeitungshilfsstoffen (wasserbasierte Kühlschmierstoffe) ergaben dann weitere Projektschwerpunkte des Fraunhofer IGB. So beschäftigte sich Frau Susanne Zibek mit Biotensiden (www.Allianz-Biotenside.de), Frau Dr. Iris Trick mit der Verkeimung von Kühlschmierstoffen und verfahren zur biologischen Stabilisierung und Herr Siegfried Egner und Dr. Thomas Scherer mit der Aufarbeitung von Reinigungswässern die zunehmend im Kreislauf geführt werden sollten. Hier kamen verschiedene Verfahren wie elektrophysikalische Fällung, Photolyse oder AOP-Prozesse (Advanced Oxidation Processes) zum Einsatz.
Reinigung ist oft ein kostenintensiver Prozess, so dass auch reinigungsfreundliche Beschichtungen, wie z.B. Lotus-Effekt-Oberflächen in den Fokus des Interesses rückten hier wurden durch Dr. Uwe Vohrer und Dr. Michael Haupt Industrieprojekte durchgeführt und Firmen beraten.
Die Beratung und Schulung der Industrie in Fragestellungen der Teilereinigung aber insbesondere der Reingungsbewertung war von Beginn der Gründung der Allianz ein Schwerpunkt der IGB. So wurden nicht nur im Rahmen des Seminars der Fraunhofer-Allianz Reinigung, sondern auch im Fachforum der Messe Parts2Clean oder diversen Seminaranbietern wie OTTI, SKZ, IRR und anderen Vorträge und Schulungen für die Industrie gehalten. In den letzten Jahren ist als Plattform für Weiterbildungen das Grundlagenseminar der Fraunhofer Reinigung hinzugekommen.
Heute ist wie damals die Bewertung der Reinigung von Oberflächen ein Schwerpunkt am Fraunhofer IGB. Bereits 2003 wurden neben Kontaktwinkelmessgeräten auch high-end-Analytik eingesetzt: Ein Röntgenphotoelektronenspektrometer (ESCA/XPS) der Firma Kratos (Modell Axis Ultra, Abbildung 4), ein Rasterelektronenmikroskop von Zeiss (Modell LEO), sowie ein Augerelektronenspektrometer der Firma Phi (Abbildung 6) sowie ein IR-Spektrometer (Bruker).
Seit Gründung der Fraunhofer Reinigung vor zwanzig Jahren hat sich einiges entwickelt. Das Fraunhofer IGB ist seither deutlich gewachsen und verfügt über zwei Außenstellen in Leuna und in Straubing. Die Organisationsstruktur hat sich den Zeiten angepasst und nun findet sich das Themenfeld „Plasmatechnik und Oberflächenanalytik“ mit Themenfeldleiter Dr. Jakob Barz im Innovationsfeld „Funktionale Oberfläche und Materialien“ wieder.
Die Plasmareinigung von Oberflächen als lösemittelfreies Verfahren ist heute deutlich verbreiteter als noch vor zwanzig Jahren. Dennoch unterstützen wir auch heute sowohl praktisch als auch beratend bei der Anpassung der Verfahren auf unterschiedliche Materialien und Kontaminationen. Auch Beratungen zum Thema Teilreinigung mit anderen Verfahren und Überprüfung des Reinigungserfolges gehören zu den Arbeitsgebieten.
Der Themenbereich Analytik hat stark vom technischen Fortschritt profitiert. Die Maschinen sind heute deutlich kompakter als früher und vereinen auf geringerem Bauraum mehr Methoden und besseres Auslösungsvermögen. Eines der Highlights für diesen Bereich am IGB ist das Kratos Axis Supra (Abbildung 7), welches 2017 in Betrieb genommen wurde und neben ESCA auch die Nutzung der Rasterelektronenmikroskopie, Augerelektronenmikroskopie und weiterer Methoden ohne Gerätewechsel ermöglicht. Neben der Einbindung in Forschungsprojekten wird es zur Validierung der Bauteilsauberkeit nach unterschiedlichen Normen wie SEMI F60 oder DIN EN ISO 14644-10 im akkreditierten Prüfbereich für interne und externe Anfragen, auch zur Schadensanalytik, genutzt.
Weitere vielfach eingesetzte Geräte sind unser hochauflösendes Rasterelektronenmikroskop Zeiss GeminiSEM 500 sowie das konfokale Ramanmikroskop Renishaw inViaTM Qontor.