ExpertTalk – Reinigung ist kein Wischiwaschi sondern innovative Technologie

In unserer neuen Interviewreihe "ExpertTalk" stellt ein Kollege des Fraunhofer-Geschäftsbereiches Reinigung eine innovative Reinigungstechnologie näher vor. Welche Kompetenzen, Möglichkeiten und Grenzen die Technologie hat und wo sie zum Einsatz kommt. Dabei wird auch die ein oder andere amüsante Anekdote aus unserem Alltag der Entwicklung solcher Technologien natürlich nicht fehlen.

Dieses Mal im Interview:

Daniel Weile vom Fraunhofer FEP aus der Gruppe Reinigungs- und Hygienetechnologien

 

Welche spezifische Reinigungstechnologie bietet Dein Institut an?

Ein besonderes Highlight unseres Technologieparks am Fraunhofer FEP ist das Vakuum-Saugstrahlverfahren. Dieses System aus der Reihe der Strahl-Verfahren mit festen Strahlmitteln verwendet keine Druckluft, um das Strahlmittel zur Bauteiloberfläche zu beschleunigen, sondern erzeugt einen Unterdruck im Behandlungsraum am Objekt, durch welchen das Strahlmittel zunächst zum Bauteil beschleunigt und anschließend auch direkt abgesaugt wird.

 

Mit welchen Kompetenzen (Deines Institutes) bietet ihr die Technologie an?

Unser Know-How liegt vor allem in der Adaption dieses Verfahrens auf sehr spezielle Anwendungen, unter anderem durch die Technologieentwicklung für sehr spezielle Strahlmittel. Zum Beispiel muss im Bereich der Restaurierung und Konservierung je nach Reinigungs-Aufgabe (und damit einhergehend auch der Aufgabe zum Kulturguterhalt) ein anderes Strahlmittel mit den richtigen Bearbeitungsparametern verwendet werden, um selektiv die Verunreinigung entfernen zu können, jedoch die sensiblen und sehr fragilen Oberflächen in ihrem historisch wertvollen Zustand unberührt zu lassen. Wir verfügen nicht nur über eine Auswahl von knapp 50 verschiedenen Strahlmitteln, von sehr hart (Korund) über teilelastisch (Nussschale) bis zu hochfein (Polyurethan-Schaum), sondern können auch durch gezielte Feinjustierung und Monitorierung der Prozessparameter jede gewünschte Abrasivität einstellen. Die Entwicklung eines Online-Monitoring des Bearbeitungszustands während der Bearbeitung ist bereits geplant.

Warum sollte man gerade zu Euch kommen, und nicht eine Lösung vom Markt zurückgreifen? Welchen Vorteil bietet es dem Kunden?

Die Technologie des Vakuum-Saugstrahlens ist am Markt verfügbar, es steht also jedem frei diese zu verwenden. Typische Einsatzszenarien sind z.B. die Graffiti-Entfernung und die Fußbodensanierung – beides Anwendungen mit hoher Flächenleistung und robusten Oberflächen. Unsere Entwicklung zielt bei der Nutzung des bekannten Grundprinzips auf die lokal sehr präzise Bearbeitung von sehr sensiblen Oberflächen gepaart mit unserer Expertise von Prozessführung und -monitoring. 

Wo bzw. in welcher Branche und bei welchen Reinigungsaufgaben kommt die Technologie meist zum Einsatz?

Entwickelt und getestet wurde das System an hochsensiblen Kulturgütern und Oberflächen von historischen Objekten. Deshalb ist dies die aktuell bevorzugte Anwendung. Aber auch andere sensible Oberflächen wie Optiken oder Medizinprodukte aber auch Biomaterialen, mechanisch sensible Funktionsflächen und Beschichtungen können mit diesem System gereinigt werden. Insbesondere können lokale Bereiche an Großbauteilen, Anlagen, Schiffen, Fahrzeugen oder Gebäuden mit Strahlmitteln bearbeitet werden, ohne dass Strahlmittel und abgelöste Verunreinigung die Arbeitsumgebung verunreinigen, da der lokale Arbeitsort prinzipbedingt immer gekapselt ist und abgesaugt wird. Ganz allgemein kann diese Technik überall dort eingesetzt werden, wo eine Schicht entfernt werden soll, die darunterliegende jedoch geschützt bleiben soll.

Gab es bei der Entwicklung oder Anwendung der Technologie lustige oder interessante Begebenheiten?

Ein interessanter Aspekt dieses System ist die Beobachtung der Strahlpartikel in mikroskopischen Dimensionen. So kann zwar ein weiches Material ein härteres nicht abtragen, wie sich aber in REM-Aufnahmen mehrfach gezeigt hat, können auch „weiche“ Strahlpartikel in andere Materialen eindringen. So hinterlässt zum Beispiel mikrokristalline Cellulose auf Edelstahl winzige Abdrücke, einmal fanden wir sogar ein Partikel, dass noch im Edelstahl „spickte“. 

Wie sieht die Zukunft dieser Technologie aus, wo geht es hin und was wird kommen?

Auch in Zukunft liegt das Hauptaugenmerk dieser Technologie im Bereich Kulturguterhalt und Aufbereitung von historischen Objekten. Wir sehen aber durchaus Potential bei der lokalen mechanischen Reinigung von metallischen Bauteilen. Ein bislang unerschlossenes Themenfeld sind Bauteile mit chemie-sensiblen Funktionsflächen, da hier das volle Potential der Technologie entfaltet werden könnte.

Welche Dienstleistungen oder Services bietet ihr konkret im Bereich Reinigungstechnologie konkret an? (Seminare, Service, Erarbeitung kundenspezifischer Prozesstechnologie, …)

Unsere Aktivitäten gliedern sich in 2 Säulen:

Zum einen die kundenspezifische (Reinigungs-)Prozessentwicklung entlang der gesamten Prozesskette. Dies umfasst zum auch Beispiel Cleanability-Analysen, Prozessoptimierung und Prozessplanung.

Die andere Säule bei uns ist die Weiterbildung im Bereich industrieller Reinigung von Oberflächen. Hier bieten wir Grundlagen-Kurse (3 Tage) oder berufsbegleitende Weiterbildung (knapp ein Jahr) sowie kundenspezifisch angepasste Schulungen zu konkreten Fragestellungen.

Was war das interessanteste Projekt, an dem Du in diesem Bereich gearbeitet hast?

Interessant sind eigentlich alle Projekte, da sie immer wieder neue Einblicke in andere Systeme und Techniken ermöglichen. Dabei ist die Branche meist egal, da jeder Betrieb und jede Fertigung ihre eigenen Besonderheiten haben, die es jedes Mal aufs Neue zu entdecken gilt.

Aus technischer Sicht die spannendsten Projekte sind aktuell die Fragestellungen der Halbleiter-Branche. Da müssen Partikel entfernt werden, neben denen ein menschliches Haar wie ein Wolkenkratzer aussieht, die so klein sind, dass sie mit jeder Form von sichtbarem Licht nicht mehr wahrnehmbar sind, und trotzdem stören sie einen Prozess. Das fordert heraus und bringt die graue Masse zwischen den Ohren zum Kochen.

Projekte mit einem klaren ökologischen Bezug (z.B. Senkung an Wasser- und Stromverbrauch, Umstellung auf nachhaltigere Produkte, …) hingegen sind die erfülltesten ihrer Art, da man hier seiner Arbeit mit dem befriedigenden Gefühl, etwas Gutes beitragen zu können, nachgehen kann.