In unserer Interview-Reihe stellen wir Ihnen in jedem Newsletter ein Mitglied aus dem Fraunhofer-Geschäftsbereich Reinigung näher vor. Dieses Mal haben wir Timo Schießl vom Fraunhofer-Institut für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik interviewt. Lesen Sie mehr über seinen Werdegang sowie seine persönliche Sichtweise zu den Zielen, Potenzialen und Wünschen für den Fraunhofer-Geschäftsbereich Reinigung.
1. Wie bist Du zum Fraunhofer-Geschäftsbereich Reinigung gekommen?
Ich habe 2016 am Fraunhofer IGCV, noch während meines Studiums, in der Gruppe Qualität und Technische Sauberkeit angefangen und begeisterte mich damals für die Herausforderungen im Bereich der Reinigungstechnik. Anfangs beschäftigte ich mich mit der Reinigung von additiv gefertigten Bauteilen, die durch komplexe Geometrien schwierig zu reinigen sind. Inzwischen ist mein Hauptforschungsgebiet die Sauberkeit von Produktionssystemen für nachhaltige Energiespeichersysteme. Neben der Fragestellung, wie und wieviel an unterschiedlichen Stellen der Prozesskette gereinigt werden muss, beraten wir unsere Kunden auch hinsichtlich der Auslegung von Bauteilen, Fertigungsanlagen, bis hin zu ganzen Werken. Die abwechslungsreichen Fragestellungen geben mir als wissenschaftlichen Mitarbeiter die Chance, aktuelle Geschehnisse aktiv mitzugestalten.
2. Welches Ziel hast Du Dir für Deine Arbeit für FRei gesetzt?
Für mich ist es wichtig das Wissen aus der Forschung in die Industrie zu bringen. Wir konnten oft feststellen, dass die technische Sauberkeit ein schwieriges Thema in produzierenden Unternehmen ist, da das nötige Know-How fehlt. Wir können durch einen sinnvollen Einsatz von optimierten Reinigungsverfahren nicht nur zu einer Steigerung der Wertschöpfung beitragen, sondern haben auch die Möglichkeit die Ressourceneffizienz zu steigern. Zudem haben wir in Bereichen wie der Batteriefertigung einen enormen Hebel, um die Qualität und Lebensdauer zu verlängern und können dadurch zu einem nachhaltigeren Produktlebenszyklus beitragen.
3. Was möchtest Du den Kunden der FRei mit auf den Weg geben?
Die richtige Auswahl und Auslegung von Reinigungssystemen ist fast immer eine Einzelfallentscheidung. Wichtig ist es zu wissen, welche Anforderungen an das Produkt bestehen, um auf dieser Basis Maßnahmen zu treffen. Die Grenzwerte für Verunreinigungen sollten aber immer gut durchdacht sein, da falsche Angaben große Auswirkungen für die Produktion haben können. Zielführender ist es, von Anfang an mit Experten in Kontakt zu treten, um zielgerichtete Entscheidungen treffen zu können. Dadurch können Zeit und Ressourcen eingespart werden.
4. Was bietet das Fraunhofer IGCV in der Reinigungstechnik an?
Vom Labor- bis zum Industriemaßstab haben wir unterschiedliche Reinigungstechnologien im Technikum, um ganze Prozessketten abbilden zu können und unsere Kunden mit industrienaher Forschung zu beraten. Wir verfügen über eine wässrige Reinigungsanlage mit Druckwechselwaschen, Ultraschall, Spritzen und Fluten, mit der wir beispielsweise in der Additiven Fertigung Bauteile von Pulverrückständen befreien. Im Bereich der Batterie- und Brennstoffzellenfertigung erproben wir in einem speziell ausgelegten Prüfstand serientaugliche Reinigungsverfahren, wie CO2-, Bürsten- oder Druckimpulsreinigung mit der notwendigen Ionisierung und Absaugung.
Des Weiteren haben wir umfangreich ausgestattete Labore zur Untersuchung kleinerer Bauteile und natürlich analysieren wir dort unsere Reinigungsergebnisse.
5. Was macht Dich zu kompetenten Partnern in der Reinigungstechnik?
Meine Begeisterung und der Drang, eine Lösung für jedes Problem zu finden würde ich sagen. In meinen 6 Jahren im Bereich der technischen Sauberkeit habe ich festgestellt, dass es noch unzählige ungelöste Probleme gibt, aber bisher konnten wir für jede Herausforderung eine Lösung finden. Meine Neugier führt auch dazu, dass ich die Reinigungsverfahren nicht nur bedienen, sondern auch verstehen möchte. Dadurch konnte ich schon weitreichende Einblicke in unterschiedliche Technologien erlangen.
Ein großer Teil der Kompetenz kommt aber nicht von mir selbst, sondern von unserem Team. Die gemeinsame Expertise aus verschiedenen Fachbereichen hilft uns über den Tellerrand hinaus zu sehen und manchmal auch unkonventionelle (aber zielführende) Ansätze zu verfolgen. Zudem können wir auch jederzeit auf die Expertise der anderen FRei-Mitglieder vertrauen und unser Netzwerk zur Industrie nutzen.
6. Was wünschst Du Dir für die Branche?
Was in der Branche oft fehlt, ist das Verständnis, welche Auswirkungen durch Verunreinigungen entstehen können und dass es oft fertige Lösungen gibt. Ich hoffe, dass das Thema Reinigung zukünftig nicht nur nebensächlich betrachtet wird, sondern bereits in der Produktentstehungsphase daran gedacht wird. In Betrieben erleben wir oft, dass Mitarbeiter keinen Bezug zu der Thematik haben und dadurch auch nicht richtig handeln können. Das Bewusstsein könnte jedoch durch einfache Aufklärungsmaßnahmen erhöht werden.
7. Was braucht es dringend, damit auf dem Gebiet der Reinigungstechnik der nächste große Schritt gegangen werden kann?
Aus meiner Sicht muss sich die Reinigungstechnik agil aufstellen, um schnell auf Veränderungen reagieren zu können. Hilfreich könnt es sein, die Digitalisierung bzw. Vernetzung der Anlagen nach außen voranzutreiben. Auch Themen, wie künstliche Intelligenz werden zukünftig ein Thema sein und es gibt sicherlich viele Ansätze, bei denen die Reinigungstechnik sich noch etwas abschauen kann.
Ein weiterer Punkt ist die Ökobilanzierung. Wie viel CO2 ein Bauteil verursacht ist eine Frage, die immer öfter beantwortet werden muss. Auch dabei kann die Digitalisierung behilflich sein.